Johannes Warns (1874 - 1937)Ein kurzer Lebenslauf einer der ersten Lehrer an den "Bibelschule Wiedenest"Frühe religiöse EindrückeJohannes Warns entstammte einer alten Pastorenfamilie, sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits. Die Warns' lebten seit vielen Generationen in Ostfriesland. Die Mutter von Johannes, eine geborene Trommershausen, kam aus dem Oberbergischen im Rheinland, aus dem Ort Wiedenest, der später das Wirkungsfeld des Sohnes werden sollte. In der Geschichte sowohl der väterlichen als mütterlichen Vorfahren läßt sich erkennen, wie Gott schon in ihnen Weg und Dienst von Johannes Warns vorbereitet hat. Der Name »Warns« war zugleich Dorf-, Familien- und Vorname. Im Norden der holländischen Landschaft Friesland gab es das Dorf Warns. In alten Hebungslisten und Namensverzeichnissen der Mennoniten aus dem 17. Jahrhundert erscheint öfters der Familienname »Warners«, etliche Male sogar in Verbindung mit dem Vornamen Johann. Schließlich finden wir im Friesischen den alten Vornamen »Warner«. Im Briefsiegel des Großvaters, des Pastors und Superintendenten Anton Friedrich Warns (gest. 1889), findet sich ein kleines Segelschiff auf bewegter See, links daneben eine Leier und rechts ein Anker - gewiß ein biblischer Hinweis auf den Anker der Hoffnung Jesus Christus und den Lobgesang Gottes. Der Großvater hatte in Halle unter dem Einfluß des bekannten gläubigen Theologen Tholuck und in Berlin bei Schleiermacher studiert. Johannes Warns wurde am 21.1.1874 im Pfarrhaus des Vaters und Pastors Johann Diederich Anton Warns in Osteel in Ostfriesland geboren. Das Bingumer Pfarrhaus des Großvaters blieb ihm jedoch eine der lieblichsten und sonnigsten Kindheitserinnerungen. Der geistig rege Großvater, sein Eintreten für Enthaltsamkeit, sein Einsatz für den Ostfriesischen Missionsverein, seine erwecklichen Predigten, die Beziehungen zum Rettungshaus und zum Missionshaus von Ludwig Harms in Hermannsburg und zum Gustav-Adolf-Verein, in deren Direktorien er mitwirkte, blieben nicht ohne Einfluß auf den Jungen. Sein Vater, der in Erlangen studiert hatte, begeisterte sich für den dort lebenden streng lutherischen Wilhelm Löhe und blieb mit dem Alttestamentler Franz Delitzsch in Verbindung. Er war ein gewandter Redner. Während des deutsch-französischen Krieges 1870/71 war er an der französischen Front als Feldprediger eingesetzt. Bei seinen Reisen durch das Rheinland lernte er Marie Trommershausen aus Wiedenest kennen. Die Pfarrstelle in Wiedenest wurde seit 1756 ununterbrochen von der Familie Trommershausen versehen. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts herrschte auf den Kanzeln der Rationalismus und unter dem Kirchenvolk Trunksucht und Streit. Aus dem Wuppertal drang ein gewisser frommer Einfluß bis ins Oberbergische vor, aber die »Fiepen« waren verachtet. Das eigentliche Erwachen christlichen Lebens begann erst mit dem Großvater Carl Trommershausen (1806-1888). Er hatte dazu durch einen schlichten, gläubigen Mann mit der Bemerkung: »Herr Pastor, ihren Predigten fehlt die Hauptsache, nämlich Jesus, der Gekreuzigte!« den Anstoß bekommen. Nach schweren inneren Kämpfen kam der Pfarrer zu einer gründlichen Bekehrung. Der erweckliche Ton seiner Predigten und Zeugnisse wurde immer stärker. Ein heiliger Eifer für Gottes Sache erfaßte ihn. Oft hielt er in einer Woche drei Bibelstunden an weit voneinander entfernten Orten. Trommershausen fand Verbindung zu dem Erweckungspfarrer Engels in Nümbrecht und arbeitete mit ihm zusammen. Missionsfeste brachten nun die erweckten und gläubigen Christen aus der näheren und weiteren Umgebung in Wiedenest zusammen, wie früher die katholischen Wallfahrer zur heiligen Quelle neben der Kirche von Wiedenest gepilgert waren. Seit 1874 zogen sich im Oberbergischen, wo längst nicht alle Pfarrer an die Bibel glaubten und erwecklich predigten, immer mehr entschieden gläubige Männer und Frauen von der Landeskirche zurück und bildeten eigene Gemeinschaften. Darüber äußerte sich der temperamentvolle Pfarrer Trommershausen in seinen Predigten mit scharfen Worten. Er soll jedoch von Barmen aus vor seinem Heimgang diese Äußerungen brieflich bedauert und die Gläubigen, die er damit verletzt hatte, um Verzeihung gebeten haben. In diesem Wiedenest verlebte Johannes Warns, der mit sieben Jahren die Mutter verloren hatte, vor seiner Gymnasialzeit einige für ihn entscheidende Monate seines jungen Lebens. Sowohl für seine künstlerische Veranlagung als auch für sein religiöses Empfinden taten sich in dem Wiedenester Tal inmitten der weiten Bergwälder eine neue Welt auf. In seinen Tagebüchern schreibt er darüber: »Diese acht Monate im großelterlichen Hause in Wiedenest waren von der größten Bedeutung für meine Entwicklung in jeder Hinsicht.« Hier erlebte er zum ersten Mal eine Gemeinschaft christusgläubiger Menschen. Johannes besuchte dann in Warendorf in Westfalen, wohin der Vater als Pfarrer einer kleinen evangelischen Diasporagemeinde berufen worden war, das Gymnasium. Dort kam er in enge Berührung mit dem Katholizismus. Ihm imponierte die machtvolle Einheit und Geschlossenheit kirchlicher Organisation und Lehre. Mit den katholischen Mitschülern geriet er jedoch in scharfe Auseinandersetzung. Schon als Primaner verstand er es, den vom Vater übernommenen streng lutherischen Standpunkt als »die einzig wahre und mögliche Verwirklichung des biblischen Christentums« geschickt zu verteidigen. Trotzdem wurde er von der Art der Gottesverehrung in den katholischen Gottesdiensten, von der andächtigen Stimmung, z.B. bei der Messe mit ihrem Höhepunkt in der heiligen Kommunion, angezogen. Was veranlaßte Luther zu so schroffer Verwerfung gerade der lateinischen Messe? Der junge Warns erkannte, daß es nicht die gottesdienstliche Form, sondern der Inhalt, der römische Sakramentsbegriff und die mit der Messe verknüpfte Opferidee war, durch die das ein für allemal gültige Opfer Christi unwirksam gemacht wurde. Warns erkannte, daß die uneingeschränkte und alleinige Autorität der Bibel die einzige sichere Grundlage der evangelischen Kirche sein konnte. »Mit diesem Grundsatz der Reformation steht und fällt allerdings das Recht der Reformation und der protestantischen Kirchen.« Die Entzweiungen innerhalb der Protestanten schmerzten Warns jedoch schon damals. Dabei kannte er zunächst nur Lutheraner und Reformierte, die kleine Gruppe der Mennoniten - und die »Fienen« im Oberbergischen. Vor allem beeindruckten ihn bleibend deren »schöne Lieder«, die starke Beteiligung bei ihren Beerdigungen und das polizeiliche Verbot, das den Laien Predigt und Gebet im Gottesdienst untersagte. Schließlich kam Warns von der Bibel selbst her zur Kritik an den eigenen Lehren und Gebräuchen. Die unterschiedlichen Abendmahlslehren bei Luther, Zwingli und Calvin machten ihm zu schaffen, vor allem aber das Erlebnis seiner eigenen Konfirmation, trotz der ergreifenden Predigt des eigenen Vaters. Johannes wollte glauben und zweifelte doch. Er kniete mechanisch nieder, sagte Ja zum Bekenntnis und nahm das Abendmahl. Aber Gewißheit, Frieden und Freude fehlten. Auf der Bußbank der HeilsarmeeSollte er Theologie studieren? Auch später noch trat die Frage als Anfechtung an ihn heran, ob er sich der geliebten Malerei hätte widmen sollen. Aber er folgte der väterlichen und mütterlichen Tradition. Zum Weihnachtsfest, das seinem Abitur vorausging, lagen dann auch Pfeife und Tabak auf dem Gabentisch, »war doch der Beruf meiner Väter ohne die gemütliche Tabakspfeife nicht denkbar«. Zunächst studierte Warns in Greifswald und hörte die gläubigen Professoren Cremer und Schlatter, ohne besonders beeindruckt zu werden. Er hatte sich der Studentenverbindung »Wingolf« angeschlossen und verstand es, das Studentenleben zu genießen, vor allem den geselligen Verkehr mit lebenslustigen Altersgenossen. In Halle hörte er auch Philosophie. Aber »dieses Gefühl des Elends und das Verlangen nach einem festen Halt, ja die Sehnsucht nach einem Leben des Friedens mit Gott, des Sieges über mich selbst, kam zuweilen mächtig über mich. Doch waren zunächst die anderen Einflüsse noch zu stark, als daß ich mich ihnen hätte entziehen können.« Erst während der Semester in Berlin kam es zur großen Wende. An einem Abend im »Schultheiß« in der Friedrichstraße trat eine Frau der Heilsarmee an den Tisch der Wingolfstudenten und verkaufte den »Kriegsruf«. Warns' Interesse erwachte, und zusammen mit einigen Studienkameraden besuchte er die Versammlung der Heilsarmee am Stettiner Bahnhof. Alles sprach ihn an: die einfachen Leute von der Straße, Gesang und Verkündigung des Evangeliums in schlichten Worten, das Lied zur Gitarre: »Sünder, sieh die große Liebe: An dem harten Kreuzesstamm dir zum Heil aus freiem Triebe starb das reine Gotteslamm.« Warns besuchte weitere Versammlungen, nicht ohne innere Kämpfe. Am 24.2.1896 schließlich ging er - der Pfarrerssohn und Wingolfstudent - nach vorn, kniete an der »Bußbank« nieder und fand Gewißheit des Heils in Christus Jesus. Zu Hause faßte er den »festen Entschluß, dem HErrn unbedingt zu trauen, zu gehorchen, zu dienen«. Dann dankte er Gott, und »da überströmte und durchströmte mich - fast körperlich spürbar - eine solche Kraft und zugleich ein solches Gefühl des Glücks und der Wonne, daß ich nur danken, preisen, anbeten und jubeln konnte. Nun hatte ich auch die innere Gewißheit durch das Zeugnis des Heiligen Geistes, daß mir alle meine Sünden vergeben seien und ich selbst als ein Kind Gottes in Gnaden angenommen sei. Diese Gewißheit habe ich nie wieder verloren.« Er hat dieses Erlebnis sofort den Mitstudenten erzählt, die darüber bestürzt waren und von der »Couleurblamage« sprachen, weil er als Präses einer hochstehenden Studentenverbindung, mit dem Verbindungsband, dem Couleur um die Brust, an einer Bußbank der verspotteten Heilsarmee gekniet habe. Johannes Warns war ein neuer Mensch geworden und führte fortan ein neues Leben. Er las die Bibel mit Erwartung und Freude; sie war ihm ein völlig neues Buch - Gottes wahrhaftiges und lebendiges Wort. Während seiner letzten Studienmonate in Bonn konnte er als durch Christus erneuerter Mensch die lateinische Prüfungsrede über »De ordine salutis« (von der Ordnung oder dem Weg des Heils) vor dem Dekan Prof. Dr. Kamphausen halten. Aus Bonn datiert auch die Freundschaft mit Fritz von Bodelschwingh, der später als Nachfolger seines Vaters die Leitung der Betheler Anstalten übernahm. Freude und Kampf in SchildescheJohannes Warns fühlte sich nun mehr und mehr zur Evangelisations- und Missionsarbeit hingezogen. Bezeichnend sind die Themen seines ersten theologischen Examens in Münster: »Die Selbstzeugnisse des HErrn von seiner Person nach den vier Evangelien« und »Die Wunder als notwendige Konsequenz der Persönlichkeit Gottes«. Er hat dann fristgemäß auch das zweite Examen ge- macht, obwohl ihm schon damals klar wurde, daß er nicht ins Pfarramt gehen würde. Wiederum kennzeichnend für ihn war das Examensthema (im Herbst 1898): »Wenn das Volk des Neuen Testamentes ein priesterliches ist, welches sind dann seine priesterlichen Pflichten?« Die Arbeit wurde gut beurteilt. In diese Zeit fallen Bekanntschaft und Zusammenarbeit mit Christoph Köhler in Schildesche. Andere Angebote, wie die Erzieherstelle im Schlosse des Fürsten von Bentheim in Burgsteinfurt, hatte er ausgeschlagen. Statt dessen hat er sich von Ernst Lohmann für die Tätigkeit im »Hilfsbund für Christliches Liebeswerk im Orient« (Arbeit unter den bedrängten Armeniern) gewinnen und in die erweckliche Arbeit von Köhler in Schildesche hineinnehmen lassen. »Je weniger Neigung ich zum Predigen im kirchlichen Chorrock verspürte, umso bereitwilliger diente ich im Blaukreuzverein in Schildesche und in Bibelstunden an verschiedenen Orten der näheren Umgebung.« Er nahm an Gemeinschaftskonferenzen teil, wurde mit dem alten Pfarrer Stockmayer bekannt, traf auf der Tersteegens-Ruhkonferenz bei Mülheim a.d.Ruhr mit Ströter, von Viebahn, Rappard, Vetter und Modersohn, mit Bernhard Kühn vom Blankenburger Allianzkomitee zusammen und lernte so die damalige Evangelische Allianz kennen. Das Pfarrhaus in Schildesche wurde Warns für längere Zeit zur zweiten Heimat. Er erlebte die dortige Erweckung und arbeitete am Aufbau der Schildescher Gemeinschaft mit. Dadurch setzte er sieh der scharfen Kritik seiner Kirchenbehörde aus. Man verbot ihm, Bibelstunden in kirchlichen Räumen und im gesamten »kirchlichen Bereich« zu halten, also auch in den Privathäusern. Warns konnte sieh jedoch auf den Standpunkt des verstorbenen Generalsuperintendenten D. Hoffmann berufen, der im Blick auf solche »Privatzusammenkünfte« erklärt hatte: »Solange das Volk nicht gelernt hat, in seiner Volkssprache seinen Glauben auszusprechen und in kleinen Kreisen Antwort zu geben auf die Worte von der Kanzel, hat die Reformation noch nicht erfüllt, wozu sie von Gott berufen ist. Ich werde den Augenblick segnen, wo ich sämtliche Glieder meiner Gemeinde auf hunderte von kleinen Erbauungskreisen verteilt wissen würde.« Köhler und Warns wurden in dieser Zeit auch mit der Außenmission bekannt. Vollbrecht Nagel, der als Missionar in Malabar in Ostindien arbeitete, hielt aufrüttelnde Versammlungen in Schildesche. 1904 brachte Warns das evangelistische Blatt »Mich jammert des Volkes« heraus, das regelmäßig auch Nachrichten aus der Missionsarbeit in Indien enthielt. Im gleichen Jahr begann er, durch die ständige Auseinandersetzung zwischen Volkskirche und freiwilliger Gemeinschaft der Gläubigen veranlaßt, zum Verständnis der Gemeinschaftsbewegung die Heftreihe »Wahrheit in der Liebe«. Als Titelbild zeichnete er einen westfälischen Bauernhof, zu dem Versammlungsbesucher mit der Bibel unter dem Arm strömen. Im Hintergrund ist die Synodalstadt Herford mit ihren drei charakteristischen Kirchtürmen zu sehen - und dahinter die aufgehende Sonne, in deren Strahlen Psalm 89, 15.16 eingesetzt ist: »Wohl dem Volk, das jauchzen kann! HErr, sie werden im Lieht Deines Antlitzes wandeln.« In den Jahren 1908/09 übernahm Warns diese beiden Missions- und Lehrblätter in die noch heute in Wiedenest herausgegebene Missionszeitschrift »Offene Türen«. In welche Richtung geht der Weg?Kurz nachdem sein älterer Freund Christoph Köhler 1905 sein Pfarramt niedergelegt hatte, ließ sieh Johannes Warns in Barmen in Gegenwart etlicher Brüder der AllianzChina-Mission (heute Allianz-MissionBarmen der Freien evang. Gemeinden) und des dortigen Predigers der Baptistengemeinde von dem China-Missionar Joseph Bender auf sein Glaubensbekenntnis hin taufen. Er hat über die Taufe nach dem Neuen Testament und darüber, was im Laufe der Kirchengeschichte in der Staats- und Volkskirche daraus gemacht worden ist, theologisch weitergearbeitet. Schon 1900 hatte er mit großem Interesse die in diesem Jahr erschienene Schrift von Pastor Bunke »Der Lehrstreit über die Kindertaufe« gelesen. Er war damals bereits zu der Überzeugung gelangt, daß diese in der Heiligen Schrift keine Begründung habe. Acht Jahre nach seiner eigenen Taufe (1913) gab Warns das 280 Seiten starke Werk: »Die Taufe - Gedanken über die urchristliche Taufe, ihre Geschichte und ihre Bedeutung für die Gegenwart« heraus. Er schreibt darüber: »Merkwürdigerweise wurde es nicht nur von meinen Freunden dankbar begrüßt und gelobt, sondern fand sogar auf kirchlicher Seite eine unerwartet anerkennende und zum Teil sehr günstige Beurteilung.« Es dürfte eins der besten Bücher über die Auseinandersetzung zwischen Kinder-(Säuglings-) und Glaubenstaufe sein. Auch im angelsächsischen Raum hat es beachtliche Verbreitung gefunden. Warns sollte diesen Raum 1905 durch die Teilnahme am baptistischen Weltkongreß in London selbst kennenlernen, auch die so ganz anders geprägte Konferenz von Keswick mit ihren etwa 8000 Teilnehmern. Dort traf er die bekannten Allianzmänner Pastor Dolman aus Wandsbeck, Werner von TieleWinckler und dessen Schwester Eva vom »Friedenshort«. Mit großem Interesse nahm er die Berichte des Hauptredners Dr. A.T. Pierson über die Erweckungsbewegung in Wales auf, die damals die Gläubigen in allen Ländern beschäftigte. Man suchte aus diesem Wirken Gottes Lehren zu ziehen. Dieses Thema »Erweckung« bewegte die Gläubigen in England und auch in Deutschland damals mehr und mehr. Warns wurde immer deutlicher in eine bestimmte Richtung geführt: »Das Schriftprinzip oder die Autorität des Wortes Gottes war die zwingende Macht, der ich mich nicht entziehen konnte und wollte. Der Beruf eines landeskirchlichen Pfarrers würde mich in fortgesetzte neue Gewissenskonflikte bringen.« Aus diesem Grund konnte er sich auch nicht zur Mitarbeit bei Missionsgesellschaften entscheiden, »deren Grundsätze und Richtlinien kirchlich waren«. Am meisten beeindruckte ihn immer noch »der urchristliche Geist, der Angriffs- und Leidensmut« in der Heilsarmee. »Das Gefühl der Dankbarkeit der Heilsarmee gegenüber habe ich immer behalten, auch als mir klar geworden war, daß Gott mich einen anderen Weg führen wollte.« Er kannte damals keine Gruppe innerhalb der großen Christenheit, »die in der Anwendung des Schriftprinzips auf die Gemeinde und die Arbeit konsequent war«. Warns suchte eigentlich die auch in gemeindlicher, ekklesiologischer Hinsicht konsequente Reformation nach der Schrift. An der Bibelschule im Dienst von Gemeinde und Mission1905 wurde Warns, wie sein Freund Köhler, als Lehrer an die neu gegründete »Bibelschule für Innere und Äußere Mission« in Berlin berufen. Neben den zweijährigen Hauptkursen wurden auch theologische Ferienkurse durchgeführt. Einen Höhepunkt bildete die jährliche evangelistische Mai-Woche mit General von Viebahn in der Hohenstaufenstraße. Die Allianz der Gläubigen fand in der Hohenstaufenstraße eine besondere Plattform. Es bestanden Verbindungen zu dem baptistischen Diakonissenhaus »Bethel« BerlinDahlem (Ed. Scheve), zur Kamerun-Mission, von der einige Missionare die Berliner Bibelschule besucht hatten, zum Christlichen Verein Junger Männer (von Rothkirch), zur Michaelsgemeinschaft (Graf Pückler) und zur Ostafrikamission (Pastor Michaelis). Zunehmend entwickelte sich die Verbindung der Schule zu den »Offenen Brüdern« in ganz Deutschland (Albert von der Kammer von Wolgast arbeitete z.B. als Lehrer mit), in England und allen europäischen Ländern. »So gab es in Berlin viel Verkehr und Anregung«, hielt Warns in seinem Tagebuch fest; »ja beinahe zuviel Abwechslung, um in Ruhe und innerer Sammlung den Unterricht in der Schule erteilen zu können.« Ein Jahr nach Beginn der Bibelschularbeit in Berlin trat Warns aus der Landeskirche aus. Die Gründe dafür hat er in der 1919 herausgegebenen Broschüre »Staatskirche? Volkskirche? Freikirche?« ausführlich dargelegt. Darin gibt Warns eine kurze geschichtliche Übersicht über die Entwicklung des Verhältnisses der Kirche zum Staat und zur Gesellschaft. Gegen Ende seiner Untersuchung stellt er fest: »Bei den heutigen Entwürfen für den kirchlichen Neubau ist deutlich immer wieder die Scheu zu spüren, die man hegt, ernst zu machen mit der biblischen Scheidung von Gläubigen und Ungläubigen. Daß die Schrift sie fordert, ist doch klar (vgl. 2. Kor. 6, 14-18).« In einer anderen Schrift »Kennt das Neue Testament die Bedienung einer örtlichen Gemeinde durch einen einzelnen Prediger?« zeigt Warns auf, wie die neutestamentliche Gemeinde das allgemeine Priestertum der Gläubigen mit all ihren Gaben verwirklicht. In dem Heft »Gedanken über eine schriftgemäße Abendmahlsfeier« (1920) beleuchtet er dieses wichtige Element gemeindlichen Lebens unter dem Aspekt der vollen Gemeinschaft der Gläubigen am Tisch des HErrn. Warns wurde bei seinen kirchengeschichtlichen Studien und seinem eigenen Einblick in Kirchen und Gemeinden immer deutlicher, daß von den Wahrheiten des Neuen Testaments zu allen Zeiten kaum eine so wenig verstanden und praktiziert worden ist wie das Priestertum aller Gläubigen. Hätte man diese grundlegende biblische Wahrheit erkannt, festgehalten und konsequent verwirklicht, nie wäre es zur Bildung des Papsttums und zur Errichtung von Staats-, Volks- und Weltkirchen gekommen. Bei manchen Neuansätzen, auch bei der Reformation, kam es nicht zu einer wirkungsvoll »dienenden Gemeinde, sondern wieder wurde sie zur gänzlichen Unfähigkeit verurteilt«. Warns hat jedoch auch die ununterbrochene Kette lebendiger Gemeinden durch die Jahrhunderte bis in die Gegenwart erkannt und noch in seinen letzten Jahren darüber eine »Brüdergeschichte« geschrieben, deren Entwurf allerdings unvollendet blieb. Gingen diese schriftlichen Arbeiten des theologischen Lehrers weit über den Rahmen der Bibelschule hinaus, so schrieb er andere speziell im Blick auf diesen Bereich: für den rechten Umgang mit der Heiligen Schrift: »Grenzen der Schriftauslegung«; für die Verkündigung: »500 Entwürfe zu biblischen Ansprachen«; für den Griechisch-Unterricht ein »Kurzgefaßtes Lehrbuch des neutestamentlichen Griechisch« (für Schule und Selbstunterricht). Johannes Warns hat von Berlin und später von Wiedenest aus viele Reisen unternommen: nach Rußland, bis nach Sibirien und Zentralasien, in die osteuropäischen und Balkanländer und in das westliche Europa. Die Bibelschüler kamen zum Teil aus diesen Ländern und kehrten nach abgeschlossener Ausbildung dorthin zurück, um in den Gemeinden und unter ihrem Volk missionarisch zu wirken. Die Ausbildung russischer Bibelschüler hatte schließlich die Veranlassung zur Gründung der Bibelschule gegeben. Das Missionsinteresse wuchs von Jahr zu Jahr; durch die ausreisenden Bibelschüler vermehrten sich die Kontakte zum Ausland. Die Reisen dienten der Stärkung der Gemeinden und der Hilfe im direkten missionarischen Dienst. Vielen Menschen in der Heimat und in manchem fremden Land durfte Johannes Warns den Weg zu Jesus Christus und in Seine Gemeinde weisen. Vielen Gemeinden im In- und Ausland galt er als geschätzter Lehrer zur Vertiefung und Ordnung des gemeindlichen Lebens. Die verantwortlichen Männer der Bibelschule lebten und arbeiteten im Glauben, in der vollen Abhängigkeit von Gott. Johannes Warns schildert, wie er Einladungen zu seinen weiten Reisen erhielt, zunehmende Freudigkeit empfing, alles dem HErrn unterbreitete, und wie sich dann auch die Finanzierung auf irgendeine Weise regelte. Im Blick auf das »tägliche Brot« für die große Bibelschulfamilie, für die zahlreichen Schüler und Besucher galt es immer neu, auf Gott zu vertrauen. Gesicherte Einnahmen gab es nicht. Man verstand sich als unabhängiges Missionswerk. Lehrer und Schüler lebten sehr einfach. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Versorgung so vieler junger Männer in der Großstadt Berlin besonders schwierig. So schauten sich die Brüder u.a. im Oberbergischen, wo sie Freunde hatten, nach einer günstigen Unterkunft um. In dem Dorf Wiedenest, nahe der Kirche an der Straße, wurde ein Gasthof zum Verkauf angeboten. Zwei Freunde besichtigten das Haus, der eine erhielt auf dem Weg dorthin überraschend einen Schuldbetrag von 5000 Mark zurückbezahlt. Der Besitzer des Gasthauses, das den Freunden für die Bibelschule gut geeignet schien, forderte die sofortige Anzahlung gerade dieser Summe. Der Kauf wurde noch am selben Tag, dem 19. März 1919, abgeschlossen. Solche und ähnliche Zeichen unmittelbarer Führungen und Hilfen Gottes erlebten die Brüder immer wieder. In WiedenestMit der Verlegung der Bibelschule von Berlin nach Wiedenest (1919) übernahm Johannes Warns die Leitung des Werkes. Schon in Berlin hatte er die Tochter Annemarie seines väterlichen Freundes Christoph Köhler geheiratet (1912), die ihm nun beim Aufbau und bei der Weiterführung der Bibelschule in Wiedenest, der Heimat seiner mütterlichen Vorfahren, treu zur Seite stand. Rührend sind die Berichte über seine junge Frau, die der um viele Jahre ältere Mann, den intensive geistige Tatkraft, ein tiefes Gemüt und fröhlicher Humor auszeichneten, in seinem Tagebuch niedergeschrieben hat. Gott schenkte dem Paar acht Kinder. Der Vater malte ihnen ein einzigartiges Bilderbuch, und die Mutter schrieb die Texte dazu, in denen jedes Kind vorkam. Tiefes Leid in der Familie, schwere Krankheiten und früher Tod blieben ihnen nicht erspart. Vorbildlich trug das die Mutter. Sie starb am 31.12.1977, vierzig Jahre nach ihrem Mann. Diese betende und seelsorgerliche Frau, eine Mutter in Christus, hat durch ihre Persönlichkeit die Generationen des Bibelschul-Missionswerkes und der örtlichen Wiedenester Gemeinde miteinander verbunden. Johannes Warns, der Schwiegersohn von Christoph Köhler, wurde durch die jüngere Schwester seiner Frau auch Schwager von Erich Sauer, seinem Nachfolger in Wiedenest. So hat Gott dieses Werk durch drei Männer einer Familie geprägt. In Wiedenest wurde die Bibelschule zum Sammelpunkt für Kinder Gottes, die ein Herz für die Mission, für die Gemeinde des HErrn und ihre Einheit haben. Vor allem der freundliche, liebenswürdige Johannes Warns fand für alle Gäste ein herzliches Wort und wurde durch sein Wesen und die Gabe seiner schlichten, klaren Schriftauslegung ein besonderer Anziehungspunkt. Er war auch der Vater der Offenen Brüdergemeinde, die sich durch die Bibelschule in Wiedenest bildete und von Jahr zu Jahr wuchs. Johannes Warns war durch und durch ein Mann der Schrift, der an der Bibel ausgerichteten Gemeinde und ihrer Mission: am Ort und bis an die Enden der Erde. Zugleich war er ein künstlerisch begabter Mann. Seine Tagebücher schmücken ansprechende Zeichnungen. Immer wieder regte sich der Künstler in ihm, besonders bei den Besuchen auf der »Haide«, dem Stammsitz der Familie von Werthern, der Mutter seiner Frau, in der Nähe des Kyffhäuser in Thüringen, aber auch angesichts der malerischen Täler des Oberbergischen. »Doch«, so berichtet er, »mein Lebensberuf war ein anderer, nämlich den Seelen Christus vor Augen zu malen ... Der Wunsch, ein Künstler zu werden und ganz der Kunst zu leben, war geopfert, begraben. Meine Sehnsucht war längst eine andere geworden, und mein Flehen ging dahin zum HErrn, dessen Eigentum und Knecht ich sein und bleiben sollte.« Am 27.1.1937 rief Gott Seinen Diener zu sich heim. © 1980 Forum Wiedenest Werke:
Die Taufe. Gedanken über die christliche Taufe, ihre Geschichte und ihre Bedeutung für die Gegenwart. Eine Erinnerung an Dr. E. Zickendrath, Hamburg 1913 (Dresden 1914, Bad Homburg 1922),
Cassel 21922, 31992;
Literatur:Ernst Schrupp: Warns, Johannes (1874-1937), in: Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, Bd. 3 (Hrsg. Helmut Burkhardt und Uwe Swarat), Wuppertal-Zürich 1994, 2131.
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