Ernst Schrupp (1915 - 2005)Ein kurzer Lebenslauf des evangelikalen Theologen"Bekehrt, um dem lebendigen Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten"; 1.Thessalonicher 1,9 Wer ist dieser Mann, den Gott in der Stunde der Not passgenau in die Geschichte der Bibelschule einfügt? Nach Männern wie Christoph Köhler, Johannes Warns, Erich Sauer? Ist er der Bauernsohn, der Familienvater, der Offizier, der Student, der theologische Lehrer, der Autor Ernst Schrupp? Er ist von allem etwas. Vor allem ist er der Mann, der im Zusammenbruch des Dritten Reichs den Blick nach vorn richtet, der die Weichen für sein Leben neu stellt. Er ist ein Mann der Tat. Zielorientierung und Entschlusskraft sind Charakterzüge. Dem dreimal verwundeten, hoch dekorierten Offizier der Wehrmacht gelingt es, seine Einheit vor der Kapitulation aufzulösen. Wenige Wochen später bekennt er sich auf einem Treffen der Korneliusbruderschaft, einer Vereinigung christlicher Offiziere, zu der Schuld, einem verbrecherischen Regime gedient zu haben. Gott schenkt ihm die Verheissung aus Joel 2,25 "Ich werde euch die Jahre ersetzen, die die Heuschrecke, der Nager ..... gefressen haben". Ernst Schrupp ist entschlossen, die geschenkte Zeit Gott neu zu weihen. Er beginnt mit dem Theologiestudium. Lotte, seine Frau, die schon drei Kinder versorgt, steht in dieser Entscheidung voll hinter ihm. Als Student engagiert er sich in den aufbrechenden missionarischen und evangelistischen Aktivitäten seiner Heimatstadt Wuppertal. Bunkermission, Wuppertaler Jugendwochen. Andere Städte werden davon erfasst. Der Horizont weitet sich. Ganz Deutschland kommt in den Blick, besonders die Jugend. "Jugend für Christus" statt "Hitlerjugend". Eine Schüler und Studentenfreizeit in Bad Homburg, die Ernst leitet, wird zum Fanal. Fast alle der meist christusfernen Teilnehmer bekehren sich. Mit Hilfe von Hans Bürki werden in der Schweiz Freizeiten organisiert, an denen 240 Schüler und Studenten teilnehmen. Die meisten kommen als wiedergeborene Christen zurück. Es bilden sich Gebetszellen. Nach einer Tagung unter dem Thema "Der lebendige Christus heute" kommt es zur Gründung der Studentenmission (SMD). Ernst schreibt: "Indem Studenten und Schüler selbst Buße taten, sich ihrer Versäumnisse bewusst wurden und sich im Gebet unter dem Wort vom Kreuz vereinigten, wurde ihnen der Glaube an eine Erweckung zuteil". Aus diesem erwecklichen Aufbruch der ersten Nachkriegsjahre erreicht ihn Ende 1948 der Ruf nach Wiedenest. Er möchte zuvor sein Studium abschließen, auf jeden Fall noch promovieren. Doch der Ruf duldet keinen Aufschub. Die Bibelschule befindet sich in einer tiefen Krise. Das Baptistenseminar, das einige Jahre die Räume der Bibelschule mitbenutzt und mit dieser eine Wirtschaftseinheit gebildet hat, ist nach Hamburg zurückgekehrt. In Brüderkreisen ist die Bibelschule, anders als Erich Sauer selbst mit seiner Heilsgeschichte, nicht sehr bekannt. Man begegnet ihr mit Skepsis und sogar Ablehnung. Viele junge Männer, potentielle Bibelschüler, sind gefallen oder in Gefangenschaft. Erich Sauer ist nahe daran aufzugeben. Die wenigen Schüler des Jahrgangs 49/50 (etwa 20, meist Kriegsteilnehmer) sind entsetzt, als sie erfahren, dass die Frauen ihrer Lehrer in den Geschäften anschreiben lassen, weil keine Gehälter gezahlt werden können. Sie wenden sich an ihren jungen Lehrer und treffen sich in seiner Wohnung an der Dörspe, viele Wochen lang täglich, um Durchblick und Hilfe von Gott zu erflehen. Gott antwortet mit dem Beispiel von Oswald Smith, dessen Gemeinde in Toronto 250 Missionare in aller Welt unterhält. "Wie könnt ihr Geld von Gott erwarten, wenn ihr es für euch selbst verwendet? "Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes ... und dies alles wird euch hinzu gefügt werden." Matthäus 6,33 Das ist ganz im Sinn von Ernst Schrupp. Lehrer und Schüler richten ihre Blicke auf Mission. Die ersten wollen ausreisen. Noch ist kein Geld vorhanden, nicht einmal die damals erforderliche Kaution für die erste Ausreise. Da schenkt Gott ihnen nach Apostelgeschicht 13 die Sicht, dass nicht die Bibelschule, sondern örtliche Gemeinden für die Aussendung der Missionare verantwortlich sein sollten. Die Bibelschule sollte nur Hilfestellung geben. Auf dieser Basis wird 1952 die Bibelschule um das Missionshaus erweitert, als Organ für die Gemeinden zur Sendung in die Außenmission. Bald erfolgen erste Ausreisen nach Japan, Österreich, Tansania und schließlich in alle Welt. Ernst Schrupp sucht Weisung, Hilfe und Nähe bei "dem lebendigen Christus heute". Die Erfolgsgeschichte des Missionshauses Bibelschule Wiedenest ist eine Geschichte des Gebets und der Führungen Gottes. In diesen schweren Aufbaujahren auf unbekanntem Terrain ist die Autorität der Bibel als Gottes gültiges Wort Stütze und Richtschnur. Im Gespräch mit Gott formen sich Gedanken, fallen Entscheidungen. Gott bestätigt seinen Weg durch begleitende Zeichen und Wunder. Dennoch ist dieser Weg kein "fröhliches Wandeln auf sonnigen Höhen." Gerade in den fünfziger Jahren, in denen das gesellschaftliche Leben in Deutschland abflacht und in Wiedenest der Aufbruch zur Weltmission Gestalt annimmt, ist Ernst schweren Prüfungen ausgesetzt. Sein Sohn Volker verunglückt tödlich. Einige Jahre später liegt seine Frau Lotte nach schwerem Unfall monatelang im Koma. Ein Missionar verunglückt tödlich, später ein zweiter. 1959 stirbt sein verehrter Mitstreiter, Leiter des Werkes, Erich Sauer. Ernst Schrupp tritt die Nachfolge an, in die er an der Seite von Erich Sauer eigentlich schon hinein gewachsen ist. Dann verunglückt ein junger Lehrer, auf den er große Hoffnungen gesetzt hatte. Trotz dieser Prüfungen, vielleicht gerade ihretwegen, setzt sich das Wachstum des Missionshauses Bibelschule kontinuierlich fort. Ernst Schrupp gelingt es mit Beharrlichkeit, Liebe und Einfühlungsvermögen immer mehr Brüdergemeinden in den missionarischen Aufbruch hineinzunehmen. Sie werden über Vollversammlung, Bruderrat und Vorstand in die Entscheidungsprozesse eingebunden. Wiedenest gewinnt immer mehr auch nach außen Gewicht und Einfluss. Eine Fülle sehr verschiedenartiger Dienste in Gemeinde, Mission und Schule, viele Reisen, Besuche und Begegnungen regen an, informieren, knüpfen Verbindungen. Persönliches Engagement im evangelikalen Missionsbereich und in der Evangelischen Allianz, Vorträge und schriftliche Beiträge stärken und festigen den missionarischen Auftrag auch außerhalb der Bibelschule. Mit 65 Jahren übergibt Ernst Schrupp die Werksleitung nach mehr als dreißig Dienstjahren an seinen Nachfolger Daniel Herm. Doch als Mitglied des Vorstands wirkt er weitere acht Jahre für das Missionshaus Bibelschule und von hier aus für das Anliegen der Mission weltweit. Er beschließt diese Tätigkeit mit einer letzten Missionsreise, die ihn noch einmal mit seiner Frau Lotte zu den Missionsstationen in Afrika und Asien bis nach Japan führt. Dann folgen Monate einer schweren endogenen Depression. Er erlebt in ihr die "Tiefendimension des Glaubens" und wird hindurch getragen, weil sie "in der nicht aufhörenden Liebe Gottes gegründet ist", wie er selbst schreibt. Dann, ganz unerwartet stirbt seine Frau. Sie war Mitte und Seele der Familie, Mutter und Seelsorgerin auch der Missionare. In ihrer innigen Beziehung zu Jesus Christus war sie oft auch Stütze und Halt für Ernst selbst. Ihr friedevoller Heimgang wird zum bleibenden Erlebnis. Wenige Monate nach seiner Lotte, der er am liebsten nachsterben möchte, muss er Abschied nehmen auch von seinem ältesten Sohn. Psalm 73 wird zum Halt in schwerer Not und zum Bekenntnis V.28): "Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf den Herrn." In dieser tiefsten und schmerzhaftesten Phase seines Lebens, in der Gott ihm alles genommen zu haben scheint, kommt er dem Himmel näher. Sein Lebenswerk "dem lebendigen Gott zu dienen" scheint abgeschlossen. Er schaut nach vorn auf den wiederkommenden Herrn und achtet auf die Ereignisse, die damit verbunden sind. Israel kommt in seinen Blick. Er liest die Heilsgeschichte Erich Sauers in neuem, aktuellem Zusammenhang, angeregt auch von Pastor Eiwens, Wienerneustadt. Sein Bewusstsein von der Schuld der Kirche gegen das Volk der Juden durch die Jahrhunderte vertieft sich. In dem entsetzlichen Verbrechen des Holocaust ist eine Saat aufgegangen, die lange zuvor gesät worden ist. Das bewegt ihn jetzt zu handeln. Denn was böse geplant war, wird Gott zum Guten wenden, das ist seine tiefe Überzeugung. "Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvor erwählt hat". Nein, "ganz Israel wird errettet werden". Römer 11,25/26 lässt Ernst nicht mehr los. Die meisten seiner Bücher (9 von 10 hat er in diesen "geschenkten" Jahren geschrieben) befassen sich mit diesem Thema. Stehen wir nach dem missionarischen Aufbruch in der Mitte des letzten Jahrhunderts vielleicht schon vor einem messianischen Aufbruch? In zahlreichen Israelreisen kümmert er sich um Holocaustgeschädigte, knüpft Kontakte mit messianischen Gemeinden, fördert Verständnis und Gemeinschaft zwischen diesen und arabischen Christen. Er setzt sich gründlich, auch literarisch und in Vorträgen, mit dem Islam auseinander und bleibt zugleich mit den Muslimen im Gespräch vor Ort und über seine Homepage im Internet. Trotz des starken Engagements für Israel und der zahlreichen Vortragsreisen und schriftlichen Arbeiten, die sich daraus ergeben, bleibt das Missionshaus Bibelschule, dem er so viele Jahre engagiert gedient hat, das von ihm entscheidend mitgeprägt wurde, seinem Herzen nahe. Die Werksgemeinschaft bietet ihm ein neues Zuhause. Als Senior inmitten der Lehrer- und Schülerschaft pflegt er die Begegnung mit Menschen die ihn umgeben, die ihm nahe stehen oder nahe kommen. Er fördert Ausgleich und Versöhnung wo immer es möglich ist. Sein kleines Appartement wird zur Gebetszelle, in der Namen und Ereignisse, das kleine persönliche und das große Weltgeschehen im vertrauten Umgang vor Gott gebracht werden. Viele erfahren Zuspruch und seelsorgerliche Hilfe. Eine besondere Freude ist für ihn der ständige Kontakt mit den Schülern. ... und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten!Vier Tage, nachdem er das Manuskript zu seinem letzten Buch "Hat der Friede noch eine Chance"; selbst an den Verlag abgeschickt hat, nimmt Gott ihm durch Schlaganfall sein Werkzeug aus der Hand. Er sitzt nun im Rollstuhl, kann nicht mehr sprechen, nicht mehr schreiben, nicht mehr lesen. Gott hat ihm, dem Mann des Wortes und der Tat, auch diese Prüfung zugemutet. Ernst hat sie aus der guten Hand seines himmlischen Vaters angenommen. Er ist auch im "Feierabendhaus", nahe seinen Kindern und von ihnen umsorgt, für seine Umgebung und die Besucher der Zeuge Jesu. Hier vollendet sich die "Tiefendimension des Glaubens", die sein HERR ihm einst offenbart hat ....... bis ER kommt. © 2005 Hans-Rudolf Wever. Alle Rechte vorbehalten Ernst Schrupp ist totDer evangelikale Theologe leitete das Missionshaus Bibelschule Wiedenest Einer der Wegbereiter der evangelikalen Bewegung in Deutschland, der Missionstheologe Ernst Schrupp, ist wenige Wochen vor Vollendung seines 90. Lebensjahres am 19. Februar in Schwelm bei Wuppertal gestorben. Der langjährige Leiter des Missionshauses Bibelschule Wiedenest (Bergneustadt) rief eine Reihe von evangelikalen Werken und Zusammenschlüssen ins Leben oder war daran maßgeblich beteiligt. Dazu zählten die Studentenmission in Deutschland (SMD), die Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM), der Evangeliums-Rundfunk (ERF) und die Evangelische Nachrichtenagentur idea. Viele Jahre war er Mitglied im Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz. Dort brachte er Evangelisationsprojekte wie die „Euro 70“ mit Billy Graham auf den Weg. Der 1915 in Beyenburg bei Wuppertal geborene Schrupp war zunächst Kaufmännischer Angestellter. Im Zweiten Weltkrieg wurde er lebensgefährlich verwundet und entschied nach der Genesung, sein Leben Gott ganz zur Verfügung zu stellen. Er studierte Theologie und war ab Ende 1948 Dozent an der Bibelschule in Wiedenest. Dort wirkte er insgesamt mehr als ein halbes Jahrhundert. Von 1959 bis 1980 war Schrupp Leiter des zur freikirchlichen Brüderbewegung gehörenden Missionshauses Bibelschule Wiedenest und anschließend bis 1985 dessen Vorstandsvorsitzender. Unter seiner Führung ist die Zahl der Bibelschüler und Missionare stark gestiegen. Ein geistliches VorbildWie es in einem Nachruf des Werkes heißt, sei Schrupp ein geistliches Vorbild gewesen. Er habe es verstanden, in Gesprächen und Vorträgen viele zu einem offensiven Christsein zu bewegen. Besonders nach dem Tod seiner Ehefrau Lotte sei er für viele Studierende zu einem geistlichen Vater geworden. Sein Blick sei weit über die eigenen konfessionellen Grenzen hinausgegangen. „Sein Wunsch war es, die Einheit unter Christen zu stärken, um den gemeinsamen Missionsauftrag wirkungsvoll und glaubwürdig zu vertreten.“ Schrupp liebte das Volk IsraelZu den besonderen Kennzeichen Schrupps habe die „Liebe zum Volk Israel“ gehört. Der Theologe verfaßte zahlreiche Bücher und Artikel, vor allem zu den Themen Mission, Israel, Islam und Zeitgeschehen. Ein Schlaganfall im Februar 2003 führte dazu, daß er nicht mehr lesen, reden und schreiben konnte. „Doch auf diesem letzten Abschnitt seines Weges war er mit seinem inneren Frieden, seiner Freude und seinen leuchtenden Augen ein Vorbild, ein Zeugnis für Jesus und ein Segen für andere“, so Daniel Herm, der das Missionshaus Bibelschule Wiedenest als Nachfolger Schrupps bis 1994 leitete. Es ist eines der größten evangelikalen Werke für Mission, Theologie und Gemeinde in Deutschland. Es bildet an der Bibelschule jährlich rund 140 Christen für die Verkündigung der christlichen Botschaft aus und betreut rund 140 Missionare in 20 Ländern. © 2005 IDEA Werke in Auswahl
Der moderne Mensch im Geisteskampf der Zeit, Wuppertal: R. Brockhaus, 1950
Wiedenest heute (2005)Missionshaus Bibelschule Wiedenest
| zum Textbeginn |
Copyright (C) 2005 by Hans-Rudolf Wever & IDEA
|