Aus der Geschichte der Brüdergemeinden in Italien

Aus der Brüderbewegung:
Die Entstehung der Brüdergemeinden in Italien


Die Brüdergemeinden sind heute in Italien die zweitstärkste protestantische Gruppe nach den Pfingstgemeinden »Assembly of God«. Es gibt etwa 250 Gemeinden mit grob geschätzten 15.000 Mitgliedern (eine offizielle Statistik existiert nicht).

Wie kam die Brüderbewegung nach Italien?

Am 21. Juni 1808 wird in Florenz der Graf Piero Guiccardini geboren. Florenz war damals schon eine multikulturelle Stadt, 70 % der Einwohner waren Ausländer, vor allem Engländer, die dank der liberalen Politik Leonardos ihren Glauben in eigenen Gottesdiensten praktizieren durften.

Piero Guicciardini wurde katholisch erzogen und wurde ein geschäftstüchtiger junger Mann. Im Alter von 25 Jahren wurde er gebeten, Kindergärten und Schulen für die arme Bevölkerung zu gründen. So lernte er die gläubige Schweizerin Matilde Calandrini kennen, die in Pisa Kindergärten aufgebaut hatte und mit ihren Erfahrungen dem jungen Grafen eine große Hilfe war. Matilde kam aus einer erwecklichen Bewegung in Genf und machte keinen Hehl aus ihrem Glauben.

Auf der Suche nach einer Bibel entdeckte der Graf, dass einer seiner Hausangestellten eine solche besaß, da er einen dieser protestantischen Gottesdienste besuchte. Nach vielen Gesprächen mit Matilde, dem Hausangestellten und eigener Bibellektüre bekehrte sich der Graf 1836 (was er später dann auch auf seinen Grabstein meißeln ließ). Nach der gescheiterten Revolution 1849 wurde die Religionsfreiheit eingeschränkt und der Graf beschloss auszuwandern. Kurz vorher wurde er verhaftet und das Gerichtsurteil lautete: Exil. Guicciardini ging erst zu gläubigen Freunden in Genf und reiste später nach England weiter. Dort kam er 1851 in Teignmouth in Kontakt mit der offenen Brüderbewegung (die Trennung von Darby war 1848 erfolgt). Die englischen Brüder hatten eine starke Sicht für Mission.

Guicciardini lernt dort den italienischen Revolutionär T. P. Rossetti kennen, der sich bekehrt hatte. Die beiden schlossen Freundschaft und bald schon wird Rossetti als erster Missionar der englischen Brüdergemeinden nach Norditalien ausgesandt. Guicciardini seinerseits reist unermüdlich durch England, die Schweiz (Genf) und Frankreich (Nizza), um das Missionsanliegen Italien bekannt zu machen. So steigt die Zahl der Missionare auf 23 an - fast alles Italiener, die sich im Ausland bekehrt haben. Der Graf, der unverheiratet bleibt, verwaltet die Gaben, ist ständig in Kontakt mit den Missionaren und schreibt Rechenschaftsberichte für die sendenden Gemeinden. Er dringt darauf, dass überall dort, wo Versammlungen entstehen, auch Kindergärten und Schulen gegründet werden. Begünstigt wurde die Ausbreitung der Brüdergemeinden in den Jahren um 1856 durch die antipäpstliche Stimmung in der Bevölkerung. Der Papst versuchte nämlich mit seinem politischen Einfluss die Einheit Italiens zu verhindern. Während die Italiener die Waldenserbewegung als ausländisch und klerikal ablehnten, waren die antiklerikalen, einfachen Hausversammlungen der Brüder gut angesehen. Nach der Vereinigung Italiens 1861 werden Evangelisten der Brüderbewegung sogar ins Parlament gewählt! Erst ab dem Jahr 1880 nannten sich die Versammlungen »Brüdergemeinden«.

Wie gesagt, es gibt heute circa 250 Brüdergemeinden, die allerdings weder gleichförmig sind noch gleichmäßig über das Land verteilt, ähnlich wie in Deutschland. Die meisten Gemeinden sind kleiner als 50 Personen. Es gibt eine gemeinsame Zeitschrift www.ilcristiano.it, eine Bibelschule in Rom, mehrere Freizeitzentren, das älteste bei Florenz, wo auch die jährliche Ältestenkonferenz stattfindet. Mehrere Verlage publizieren im Bereich der Brüdergemeinden, ein Altersheim wird gemeinsam unterhalten. Seit weniger als 10 Jahren gibt es den Missionsverein OMEFI. Die Brüder missionieren in Albanien und dem Kosovo, unterstützen die Missionsarbeit in Serbien, Kroatien, Montenegro u. a.

Bis heute sind die Brüder antiklerikal, es gibt kaum überörtliche Strukturen, kein Abkommen mit dem Staat, kein Glaubensbekenntnis, und das ist gut so. Es gibt (neben den ausländischen Missionaren) keine angestellten Vollzeitler, alle leben aus Glauben. Bis heute kann man die Spuren erkennen, die die Brüder vor 150 Jahren gelegt haben.

Gemeindegründungsarbeit in Roccia (2005)

Brüdergemeinden in Italien: ASSEMBLEA CRISTIANA dei fratelli

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Copyright (C) 2004 by Martin Bühne
Alle Rechte vorbehalten. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift PERSPEKTIVE Nr. 2004
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Ins Netz gesetzt am 16.03.2005; letzte Änderung: 30.01.2017

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